Eine Hommage an den modernen Übersetzer alter Schule
Und er lebt doch! Aus Fleisch und Blut, ausgestattet mit Wissen, Erfahrung und Emotionen fristet er manchmal ein Dasein, das seiner nicht gerecht wird. Etikett: überholt. Als Relikt einer längst in Vergessenheit geratener Vergangenheit bezeichnet. Aber trotzdem ist der menschliche Übersetzer so wichtig wie nie zuvor.
Am Anfang steht ein Traum: Der Traum nach der grossen weiten Welt, nach Kultur, nach der Möglichkeit kreativ zu arbeiten, Menschen kennen zu lernen und Brücken zu schlagen, damit die Welt ein Stückchen besser wird. So in etwa das Wunschdenken all derjenigen, die sich in jungen Jahren für den Übersetzerberuf interessieren und entscheiden.
Die Ausbildung an der Universität oder einer Fachhochschule versprüht weiter diesen Duft der globalen Welt. Studenten und Studentinnen aus allen Herren Länder kommen zusammen, teilen ihren Alltag und vermitteln Einblicke in die Welt des jeweils anderen. Der unbändige Wissensdurst wird gestillt, der Himmel hängt sprichwörtlich voller Geigen. Angeregte Literaturdiskussionen über klassische Werke in Mutter- und Fremdsprache, über Stilmittel wie Alliterationen, Anaphorik und Kataphorik reihen sich ein in Vorlesungen zu Kultur, Gesellschaft und Politik eines Landes oder einer Sprachregion. Und selbstverständlich darf auch der technologische Aspekt nicht fehlen, Grundkenntnisse der Informatik und die Funktionsweise von Übersetzungs- und Terminologiesystemen gehören in der heutigen Zeit ebenfalls zum Basiswissen eines Übersetzers. Ausgestattet mit diesem Rüstzeug und mit voller Zuversicht verlässt der nun diplomierte Übersetzer seine Ausbildungsstätte und sucht sich seinen Weg entweder als Freiberufler oder im Rahmen einer Festanstellung in der Privatwirtschaft oder bei einer Behörde.
Dort angekommen lernt der Übersetzer allerdings schnell, dass die Realität rauer Natur ist. Termin- und Kostendruck gepaart mit teils fehlendem Verständnis für die Arbeits- und Denkweise eines Übersetzers lassen Zweifel und Frust aufkommen. Von Alliterationen spricht keiner mehr, oh nein! Das grosse Thema sind Repetitionen, von denen die zu übersetzenden Texte angeblich nur so wimmeln und deren Übersetzung nicht oder nur marginal bezahlt wird. Die einst erlernte Freiheit, einen Satz kunstvoll in eine andere Sprache zu übertragen wird massiv eingeschränkt durch Autoren-, Übersetzungs- und Terminologiesysteme, durch Platzvorgaben und weitere Sondervorgaben.
Zudem macht auch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz vor der Sprache nicht Halt: Machine Translation verändert das Berufsfeld des Übersetzer zusehends. Häufig sieht sich der Übersetzer nur noch als letzte Kontrollinstanz, die versucht, automatisch vorübersetzte Texte einigermassen verständlich und menschlich klingen zu lassen. Wo früher Kenntnisse in Word oder Excel ausreichten, arbeiten heute viele Kunden mit eigenen Lösungen, Portalen, Content-Management-Systemen und strukturierten Datenbanken. Irgendwann stellt sich der Übersetzer die Frage, ob er nicht besser eine Ausbildung als Informatiker anstelle als Übersetzer gemacht hätte. Die einstige Illusion der weiten Welt zerbricht in ein engmaschiges Schema, das nur noch aus binären Daten zu bestehen scheint. Der Übersetzer steht am Scheideweg: Was ist bloss aus meinem Traum geworden?
Bis hierhin mag der Text an einigen Stellen vielleicht etwas übertrieben wirken. Natürlich trifft dieser Werdegang nicht in jedem Fall zu. Fakt ist aber, dass die automatisierte und standardisierte Sprache ein Grossteil der Arbeit eines modernen Übersetzers ausmacht. Das Ziel ist häufig nicht mehr das Verfassen eines möglichst flüssig geschriebenen Texts sondern das Erreichen einer akzeptablen Qualität die keinen Spielraum für Fehlinterpretationen zulässt. Das eigentliche Handwerk des Übersetzens, die sorgfältige Analyse eines Textes, die Entwicklung eines Gespürs für die Denkweise des Autoren und die Kreativität beim Lösen von eigentlich unlösbaren Problemen sind immer weniger gefragt. Dafür aber ein wachsames Auge, ein rasches Erkennen von Fehlern und das Erarbeiten von Lösungen innerhalb der definierten Parameter. Und genau deshalb ist der menschliche Übersetzer heute wichtiger denn je. Denn das Vertrauen der Menschen in die künstliche Intelligenz wächst in gleichem Masse wie sich das Arbeitsumfeld des Übersetzers verändert. Wie sagt doch das alte Sprichwort so schön: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Und was Albert Schweitzer recht war, kann dem Übersetzer und unseren Kunden nur billig sein.
Hinweis: Wer einen kleinen Einblick in den Alltag der Inter-Translations SA gewinnen möchte, dem sei das nachfolgende Interview von RADIO BERN1 mit ITSA-Verwaltungsratspräsidentin Danielle Cesarov-Zaugg empfohlen: www.itsa.ch/blog/danielle-cesarov-radio-bern1-interview/